Armbanduhren bei A. Lange & Söhne

Obwohl sich 1918 nach dem Ende des 1. Weltkrieges durch technische Entwicklungen besonders in der durch den Krieg kaum negativ beeinflussten Schweizer Uhrenindustrie der Trend zur Armbanduhr immer mehr verstärkte, wurde bei A. Lange und Söhne diese Entwicklung und Marktausrichtung nicht aufgegriffen. Es wurden zwar durch den Umbau des kleinsten Damentaschenuhrkaliber 25 in geringen Umfang Armbanduhren in kleinsten Serien gefertigt, aber mit Ausnahme der für militärische Zwecke gefertigten Flieger-Beobachtungsuhr vom Kaliber 48.1 bis 1945 kein eigenständiges Armbanduhrkaliber entwickelt.

In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, der Absatz von Taschenuhren ging rapide zurück und den Trend zur Armbanduhr hatte man schlichtweg "verschlafen", ließ es sich nicht mehr umgehen auch dieses, nicht mehr ganz so neue Marktsegment mit entsprechenden Produkten zu bedienen, da ansonsten der Untergang des Unternehmens drohte. Das Problem war allerdings, dass man kein einziges Armbanduhrwerk entwickelt hatte. So blieb nichts anderes übrig, als sich von anderen Herstellern, wie zum Beispiel der „Uhrenfabrik Glashütte AG“, den Schweizer Firmen „Manufacture des Montres Niton“ und „Montres Altus SA Kleinuhren, Uhrwerke, Uhrenteile", Genf, Schweiz (1925 Registrierung in Genf als "Altus SA") Rohwerke und anderweitig auch Furnituren hinzuzukaufen. Diese Rohwerke wurden mit zum Teil die wahre Herkunft verschleiernden, marginalen technischen und optischen Veränderungen, aber mit der A. Lange & Söhne Signatur versehen, als Lange Uhren beworben und in den Handel gebracht. Dazu gründete die Firma Lange, die am 3. Juni 1927 unter den Aktenzeichen 650 Blatt 239 eingetragene Firma „A. Lange & Söhne, Deutsche Uhrenfabrikation Glashütte, Niederlassung Genf in der Avenue du Mail“ zum Zweck „Fabrikation, Kauf und Verkauf von Uhren und Furnituren“. Es muss schon sehr demütigend gewesen sein, zu Praktiken greifen zu müssen, für die man 15 Jahre eher andere Firmen verklagt hatte. Auch damals bestrafte das Leben - in diesem Falle der Markt - den, der zu spät kam. Ohne die Mitte der 1930er Jahre anlaufende Kriegsproduktion an Marinechronometern und B-Uhren wäre es wohl um die traditionsreiche Firma A. Lange & Söhne schlecht bestellt gewesen.

Die erste von A. Lange & Söhne offiziell Ausgelieferte Armbanduhr und die Manufaktur Niton, Genf in den 20er Jahren
von Wolfgang Stegemann
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Geschichte der "Hohen Uhrmacherkunst; Uhrenmanufaktur NITON"
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Herrenarmbanduhr "A. Lange & Söhne Genf"

mit Peseux-Werk - Erstdokumentation

Die hier vorgestellte Herrenarmbanduhr Marke „A. Lange & Söhne Genf“ wurde am 27. April 1929 für 360,00  Schweizer Franken an die Tschechoslowakische Firma Eduard Riemer in Prag verkauft. Der Zahlungsverkehr an A. Lange & Söhne wurde über Usine Genevoise de Degrossiage d‘ Or, Genf abgewickelt. Eingeschalt wurde das runde, 16 steinige, 9 ¾ linige Neusilberwerk der Schweizer Firma Peseux in ein Grüngoldgehäuse mit einem Feingehalt von 585/1000. Die Regulierung des Werkes erfolgte in fünf Lagen. Das tonnenförmige Grüngoldgehäuse mit der Nr. 100118 hat neben der Schweizer- auch die Deutsche Goldpunzierung und ist mit „A. Lange & Söhne Genf“ signiert. In der bekannten Fachliteratur waren bisher Lange Armbanduhren, die mit Schweizer Werken ausgestattet wurden, nur von den Firmen Niton und Altus bekannt.

Zugekaufte Altus-Fremdwerke für Konfektionierung zu Lange Armbanduhren

Altus Formwerke 6 ½“ x 11''' Linien
Altus Formwerke 6 ½“ x 11''' Linien
Altus Formwerke 8 ¾“’  x 12''' Linien
Altus Formwerke 8 ¾“’ x 12''' Linien

Lange - Uhr Glashütte mit Schweizer Altus-Werk

Altus-Werk mit 8 ¾“’  Linien Durchmesser
Altus-Werk mit 8 ¾“’ Linien Durchmesser
Altus-Werk mit 8 ¾“’  Linien Durchmesser
Altus-Werk mit 8 ¾“’ Linien Durchmesser
Altus-Werk mit 10 ½''' Linien Durchmesser
Altus-Werk mit 10 ½''' Linien Durchmesser
Schweizer Altus-Werk 10 ½''' Linien Durchmesser / Werksignatur:A. Lange & Söhne Genf Swiss
Schweizer Altus-Werk 10 ½''' Linien Durchmesser / Werksignatur:A. Lange & Söhne Genf Swiss

In sehr geringem Umfang wurden auch 8 ¾“’ Werke der Urofa Kaliber 522 in Tutima-Qualität mit einer dergestalt vereänderterten Räderwerkbrücke, dass sie an eine, allerdings aufgeschnittene,  ¾ Platine erinnert, hergestellt.

Urofa Kaliber 522 Tutima-Ausführung
Urofa Kaliber 522 Tutima-Ausführung

Damenarmbanduhr A. Lange & Söhne mit UROFA Werkkaliber 522

Bei der hier gezeigten Damenarmbanduhr der Glashütter Firma A. Lange & Söhne aus dem Jahr 1939 handelt es sich nachweislich um die erste in Deutschland serienmäßig hergestellte Armbanduhr mit Breguetspirale. Bei dem Rohwerk handelt es sich um das von der Uhren-Rohwerke-Fabrik Akt. Ges. Glashütte Sa. (UROFA) entwickelte und in Großserie gefertigte 8 ¾-linige Kaliber 522. Da die Firma A. Lange & Söhne die Entwicklung eines eigenen Armbanduhrwerkes schlichtweg "verschlafen" hatte, wurde, vermutlich um die wahre Herkunft des Werkes zu verschleiern, auf Kundenwunsch lediglich die Brücken des Werkes optisch in ihrer Form modifiziert und mit "Lange Glashütte" signiert. Die Vollendung des Werkes mit der Hemmung und der Breguetspirale dürfte aber bei der Firma Lange erfolgt sein. Damit ist nachgewiesen, dass neben den Schweizer Rohwerkelieferanten für Lange Armbanduhren auch auf ein deutsches Qualitätsprodukt der Konkurrenz zurückgegriffen werden musste.

Die Uhren mit zugekauften „Fremdwerken“ wurden von A. Lange & Söhne mit den

Zifferblattsignaturen:

„Lange Uhr“, Lange Glashütte/SA, A. Lange & Söhne Genf und den

Werkssignaturen:

„Lange-Uhr Glashütte“, A. Lange & Söhne Genf Swiss, auf den Markt gebracht.

Es handelt sich u.a. um die runden Altus-Werke mit 8 ¾“’  und 10 ½''' Linien Durchmesser und um die beiden

Formwerke 6 ½“' x 11''' Linien  und 8 ¾“’ x 12''' Linien .

 

Modellbeispiele für Lange Armbanduhren mit veredelten zugekauften Rohwerken

Herrenarmbanduhr Fa. Lange & Söhne mit Schweizer Altus Formwerk

Die hier vorgestellte Herrenarmbanduhr der Glashütter Firma A. Lange & Söhne hat ein zweiteiliges Goldgehäuse mit festen Bandanstößen und einem Feingehalt von 585/1000. Die Lange Schutzmarke befindet sich auf der Innenseite des Gehäusebodens.  Bei den Armbanduhren wurde die Fertigungsnummer nicht auf dem Werk, sondern auf dem Gehäuseboden eingeprägt. Mit dieser Nummer, hier 102762, der Vorlage der Uhr oder aussagefähigen Bildern kann man beim Uhrenmuseum Glashütte ein kostenpflichtiges Zertifikat erwerben, was die Herstellung und den Verkauf der Uhr belegt. Da die Firma A. Lange & Söhne bis 1948 über kein selbst entwickeltes Armbanduhrwerk verfügte, wurden von 1927 bis 1938 Werke fremder Hersteller, wie Niton und Altus aus der Schweiz und der UROFA  zugekauft, eingeschalt und dann z.B. unter der Marke "Lange & Söhne Genf", "Lange & Söhne Glashütte" und "Lange Glashütte Sa." vertrieben. Hier handelt es sich um ein  8 3/4 Altus Formwerk.

 A. Lange & Söhne - Damenarmbanduhr mit Schweizer Altuswerk

Als in den 1930er Jahren der Siegeszug der Armbanduhr nicht mehr aufzuhalten war, musste sich auch die traditionsreiche Glashütter Firma A. Lange & Söhne eingestehen, diesen Trend verschlafen zu haben. Man hatte es versäumt, eigene Armbanduhrkaliber zu entwickeln. Das hatte zur Folge, dass man u.a. bei renomierten Schweizer Rohwerkefirmen Armbanduhrrohwerke kaufte um sie dann in Glashütte zu finisieren und als Lange Uhren zu vermarkten. Bei der hier vorgestellten Damenarmbanduhr im 585er Goldgehäuse handelt es sich um eine solche Uhr. Zum Einsatz kam hier ein 8 3/4'''-Werk der Schweizer Firma Altus. Die Praxis auf Werkkaliber anderer Hersteller zurückzugreifen, wurde nach Ende des zweiten Weltkrieges bis zur Eingliederung der 1948 verstaatlichten Fa. Mechanik Lange & Söhne VEB im Jahr 1951 fortgesetzt. Verwendet wurden dafür noch in Glashütte vorhandene und von der DPUG entwickelte Werkkaliber, deren alte Werknummerierung beibehalten wurde, sie aber mit Lange & Söhne signiert wurden.

Armbanduhrenangebot  an  Münchner Firma Michael Kugler,  April 1937

Erst nach Beendigung des 2. Weltkrieges begann man 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone mit der Verkleinerung des Kalibers 48 von 48 mm Ø auf 28 mm Ø  das erste eigene großserienfähige Armbanduhrkaliber 28 und 28.1 zu entwickeln. Die Serienproduktion konnte aber erst  durch die verstaatlichte Firma Lange & Söhne VEB 1948/49 aufgenommen werden.

Die hier vorgestellten Werke und Modelle stellen noch keine vollständige Übersicht dar. An der weiteren Vervollständigung wird gearbeitet.

Literatur:

  • Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 - 1980 : Firmenadressen, Fertigungsprogramm, Firmenzeichen, Markennamen, Firmengeschichten; Autor: Hans Heinrich Schmid; Herausgeber: Förderkreis Lebendiges Uhrenindustriemuseum e.V.; ISBN 3927987913
  • Die Uhren von A.Lange & Söhne, Autor Martin Huber, München
  • Die Entwicklung der Glashütter Uhrenindustrie“  Autor Ing. Helmut Klemmer u. Edith Klemmer

    Fachzeitschrift: Uhren und Schmuck 1/1979 bis 4/1980

  • A. Lange & Söhne eine Uhrmacher-Dynastie aus Dresden; Autor: Reinhard Meis; Callwey Verlag München 1997 ISBN 3766712861

 

  • Der Beginn einer Tradition-Die ersten 50 Jahre Präzisionsuhren-Herstellung in Glashütte von 1845 bis 1895, Sandsteinverlag; Autor: Herbert Dittrich; Herausgeber:Stiftung Deutsches Uhrenmuseum Glashütte -Nicolas G. Hayek
  • Glashütter Armbanduhren II; Autor: Kurt Herkner; Herkner Verlags GmbH; ISBN 3-924211-06-X
  • Mechanische Armbanduhren aus Glashütte 1950 - 1980; Autor: Werner Heinrich; Callwey Verlag;ISBN 3766717197
  • Deutsche Uhrmacher-Zeitung 1927 Nr. 21 S.401
  • Wolfgang Stegemann, Die erste von A. Lange & Söhne offiziell ausgelieferte Armbanduhr und die Manufaktur Niton, Genf, in den 20er Jahren; Klassik Uhren 2/2011 S.40-43

Aktualisiert 18.04.2024

Deutsches Uhrenmuseum Glashütte - Das Bild  mit Video hinterlegt
Deutsches Uhrenmuseum Glashütte - Das Bild mit Video hinterlegt

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