Die Kalibergruppe 60 (1951 - 1961)

Historie

Die Unterlagen für das Kaliber 60 wurden Ende des Jahres 1951 vom technischen Leiter, Helmut Klemmer, nach relativ kurzer Entwicklungszeit der Betriebsleitung produktionsreif vorgestellt.

Ob und inwieweit sich Helmut Klemmer dabei auf bereits vorhandene Entwicklungsunterlagen aus seiner Zeit als Betriebsführer der Urofa (1937-1945) gestützt hat, ist noch Gegenstand weiterer Recherchen. Immerhin sind die kurze Entwicklungszeit und die Tatsache, dass es von 1938 bis 1944 bei der Urofa zwei verschiedene Entwicklungsprojekte für eine moderne Herrenarmbanduhr mit Zentralsekunde gegeben hat, an denen Helmut Klemmer selbst gearbeitet hat, starke Indizien dafür. Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, wenn man das ebenfalls von Helmut Klemmer 1946 entwickelte Werkkaliber 61 der Urofa Nachfolgefirma Precis Glashütte betrachtet. Es erscheint schon sehr unrealistisch, dass es ohne das Vorhandensein von Aufzeichnungen oder kompletten Unterlagen möglich gewesen sein sollte, in nur 16 Monaten nach Kriegsende ein solches Werkkaliber produktionsreif zu entwickeln. Bei genauerer Betrachtung kann man den Eindruck gewinnen, dass das Kaliber 60 zumindest zeichnerisch bereits 1945 vorlag und aufgrund der Demontage der Urofa und der dadurch fehlenden Maschinen hilfsweise eine den Umständen angepasste vereinfachte Konstruktion des Kalibers 60 zum Kaliber 61 erfolgt ist. Immerhin sind zumindest die Werkabmessungen, Laufwerk, Hemmung und Zeigerwerk beider Kaliber identisch. Vielleicht können weitere Recherchen diesen Sachverhalt noch klären.

Beschreibung

Bei dem Grundwerk dieser Kalibergruppe, dem Kaliber 60, handelt es sich um ein massives Brückenwerk mit Federhaus- und Räderwerkbrücke sowie Ankerrad-, Anker- und Unruhkloben, Kupplungsaufzug, Palettenankergang, Ankerrad und Anker aus Stahl.

Die monometallische Schraubenunruh hat 16 Gewichtsschrauben und ist nicht geschlitzt.

12 ½ - linige Werk mit Ø 28mm ist für 15-18 eingepresste Lagersteine ausgelegt.

Außer Spirale, Zugfeder, Stoßsicherung, Gehäuse, Zifferblättern und Zeigersätzen, stammen alle anderen Teile aus eigener Fertigung.

Spiralen, Zugfedern und Incabloc Stoßsicherungen wurden aus der Schweiz importiert. Bei den serienmäßigen Standartwerken wurden Nivarox Spiralen und bei den Güteuhren Nivarox I Spiralen eingesetzt.

Aufbauend auf dem Grundwerk 60 folgten die Weiterentwicklungen Kaliber 60.1, die Güteuhren 60.2 und 60.3, der Schaltradchronograph Kaliber 64 und die Uhren mit Datumsanzeige Kaliber 66 und 66.1.

Eine geplante und bis zur Nullserie entwickelte Güteausführung des Kalibers 66.3, entwickelt aus dem Güteuhrkaliber 60.3, wurde nicht mehr in die Serienproduktion aufgenommen.

Unabhängig davon war mit dem Kaliber 60 ein robustes Werk mit guten Gangeigenschaften und genügend Innovationspotential für ein ganzes Jahrzehnt gelungen.

Werkteilerkennug bei einem Gütewerk Kaliber 60.3 (o.Stoßsicherung)*

Für die Kalibergruppe 60 galt in den 1950er Jahren bei der GUB nachfolgend aufgeführte Kalibersystematik

Da die Datumsuhren Kaliber 66 und 66.1 erst 1957 in Produktion gingen, waren sie in dem Katalog von 1956 noch nicht enthalten. Das gilt auch für die erst 1956 in die Produktlinie aufgenommene HAU 66.2. Die verschiedentlich nachgewiesenen Werkprägungen 662.2 haben ihren Uhrsprung höchstwahrscheinlich in dieser damals gebräuchlichen Kalibersystematik.

Alte Kaliberbezeichnung

Gebräuchliche Kaliberbezeichnung
660 entspricht HAU 60
660.02 entspricht HAU 60.2 Güteuhr
660.11
entspricht HAU 60.1
660.12
entspricht HAU 60.3 Güteuhr
663
entspricht DAU 63
664 entspricht Armband-Chronograph 64





Auszug aus der GUB Ersatzteil - Liste vom 1958

Hiermit ist der verifizierbare Beleg erbracht, das die Werke der Kalibergroppe 60 neben der Kaliberangabe auch eine Werknummer haben.

Ersatzteile-Verzeichnis von 1967

Die Werknummern der Uhren der Kalibergruppe 60 wurden zwar, wie auch die Gehäusenummern, in den Garantieschein eingetragen, aber nicht in Werk- o. Verkaufsbüchern geführt. Aus diesem Grunde ist eine genaue Zeitliche Zuordnung einer Uhr dieser Kalibergruppe nur im Zusammenhang mit dem dazugehörigen Garantieschein möglich.

 

Da in der DDR bis 1960 serienmäßig keine goldenen bzw. vergoldeten Herrenarmbanduhrgehäuse hergestellt wurden, kamen die Gehäuse von verschiedenen Herstellern aus Pforzheim und Frankreich.

Gehäuse aus Edelstahl mit Schraubboden oder aufgesprengtem Boden wurden erst ab 1956 von Pforzheimer Herstellern eingeführt.

Beispiele von Gehäuseböden von GUB Importgehäusen mit Herstellerkennung.

Die vergoldeten Gehäuse der Kalibergruppe 60 haben in der Regel eine Vergoldungsstärke von 20 Micron.

Vergoldete GUB Gehäuse mit 10 Mikron Vergoldungsstärke

Einem aufmerksamen engagierten Sammler ist es zu verdanken, dass es in der GUB Kalibergruppe 60 im September 2014 einen neuen Erkenntnis- stand gibt. Ist bisher bei den importierten, Walzgold- oder mit Plaque Verfahren, vergoldeten Messing Gehäusen der Uhren der Kalibergruppe 60 grund- sätzlich von einer Vergoldungsstärke von 20 Mikron ausgegangen worden, so belegt nebenstehender Aufkleber und ein Garantieschein einer GUB Uhr vom Kaliber 66.1 aus dem Jahr 1960, dass auch Gehäuse mit einer Vergoldungsstärke von 10 Mikron eingeführt und verwendet wurden. Das betreffende Gehäuse wurde der GUB von der westdeutschen Firma „Rodi & Wienenberger AG“ geliefert. Die Vergoldungsstärke ist auf dem Edelstahlschraubboden dieses Gehäuses nicht mehr ausgewiesen. Zu welcher Zeit und in welchem Umfang Gehäuse mit 10 Mikron bereits in den 1950er Jahren für Uhren der Kalibergruppe 60 verwendet wurden, ist Gegenstand weiterer Recherchen.

1957 Furnituren aus Frankreich

Bild D 4
Bild D 4

Offene, noch zu klärende Fragestellungen:

Von der Zifferblattseite aus mit zwei Schrauben befestigte Zifferblätter.

 

Hin und wieder stößt der Sammler bei Glashütter Armbanduhren, die nach 1945 gefertigt wurden, auf Modelle, bei denen die Zifferblätter von der Zifferblattseite aus mit zwei Schrauben auf der Platine befestigt sind. Dabei stellt sich dann die Frage, ob das werkseitig im Original so vorgesehen war oder ob es sich um eine nachträgliche Reparatur eines Uhrmachers handelt. In Ermangelung eines passenden Ersatzzifferblattes war es in der Nachkriegszeit nach 1945 eine durchaus gängige Methode Zifferblätter mit abgebrochenen oder nicht zum Kaliber passenden Zifferblattfüßen auf diese Weise zu befestigen. Es soll allerdings, zumindest vorübergehend, auch in Glashütte in den Jahren nach 1945 in der Serienproduktion eine derartige Fertigungsmethode erforderlich gewesen sein.

 

Zifferblätter mit Bohrungen zur Befestigung mit Schrauben
Zifferblätter mit Bohrungen zur Befestigung mit Schrauben

Der ehemalige leitende Angestellte der UROFA, Precis und der GUB, Helmut Klemmer, äußert sich dazu 1980 in seiner in der Fachzeitschrift „Uhren und Schmuck“ veröffentlichten Abhandlung „Die Entwicklung der Glashütter Uhrenindustrie“, im Teil 9 „Der Wiederaufbau 1945“ zu der Frage der verwendeten Zifferblätter wie folgt: „Sehr schwierig war die Beschaffung von Zifferblättern. Sie bestanden aus bedruckter Aluminiumfolie und wurden von der Zifferblattseite aus mit zwei Schrauben befestigt.“

Quelle: Fachzeitschrift „Uhren und Schmuck“ Heft 3  1980 S. 90-91

 

Leider geht daraus nicht hervor, über welchen Zeitraum man zu dieser Methode greifen musste. Das erschwert heute ein sichere Bestimmung der Originalität einer solchen Uhr ungemein. Zumal offen bleibt, ob nur Precis oder auch noch die GUB nach 1951 davon gebrauch machen musste.

Fakt ist aber, dass ab 1947 nach der ersten Modifizierung des Werkkaliber Precis 61, wie auch beim Kaliber 60 die Bohrungen für Zifferblattfüße an gleicher Stelle in der Platine vorhanden waren. Gleiches gilt auch für die seitlichen Verschraubungen der Füße. Demzufolge kann die Ursache für die Anwendung dieser ungewöhnlichen Methode nur in der Beschaffenheit der damals zur Verfügung stehenden Zifferblätter zu suchen sein.

Das diese Werke miteinander verwandt sind ist hier auch an der nahezu identischen Aufzugspartie gut zu sehen.

Da aber bereits 1946 bei den ersten 300 Werken des Kalibers Precis 61 und von da an durchgängig bis in die 1950 Jahre der GUB in der übergrossen Mehrzahl der frühen oberflächenplanen Werkplatinen keine werkseitigen Bohrungen bei den Kalibern 61 und 60 nachweisbar sind, kann man davon ausgehen, dass der Notbehelf der Verschraubung der Zifferblätter von der Zifferblattseite her nur in einem sehr geringem Umfang und in einem zeitlich eng begrenzten Rahmen erfolgt sein kann.

Da diese Technologie eigentlich nicht vorgesehen war, stellen sich u. a. die Fragen:

  • Hatten die von Helmut Klemmer benannten Zifferblätter überhaupt Füße?
  • Passten eventuell vorhandene Füße nicht zu den werkseitigen Bohrungen?
  • Ist die Methode nur bei Zifferblättern aus Aluminiumfolie angewendet worden?
  • In welchen Zeitraum und in welchem Umfang musste auf diese Methode zurückgegriffen werden?

 

An der Klärung dieser Fragen wird weiter gearbeitet. Sachdienliche Hinweise zu dieser, wie auch zu anderen offen Fragen sind jederzeit gern willkommen.

 

Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen entsprechend ergänzt.

Aktualisiert 19.03.2024

Deutsches Uhrenmuseum Glashütte - Das Bild  mit Video hinterlegt
Deutsches Uhrenmuseum Glashütte - Das Bild mit Video hinterlegt

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