GUB Kalibergruppe 70 von 1960 - 1971

Diese Kalibergruppe ist Ausgang der 1950er Jahre nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit mit der Zielstellung einer höheren eigenen Fertigungstiefe, hoher Ganggenauigkeit und weitestgehenden Standardisierung entwickelt und 1960 auf den Markt gebracht worden. Weitere Anforderungen waren Chronometerfähigkeit, Exportfähigkeit und Servicefeundlichkeit.

Das Handaufzug-Basiswerk konnte sowohl mit einer Datumfunktion, als auch mit einer Rotorautomatik versehen werden. Durch einen geringfügig höheren Montage- und Reglageaufwand erreichte man mit dem Basiswerk Gangleistungen, die innerhalb der für Chronometer international geforderten Fehlergrenzen lagen, so dass daraus erstmalig in den Glashütter Uhrenbetrieben und der DDR Armbanduhrchronometer gefertigt werden konnten.

Werkbeschreibung der Kalibergruppe 70

Die Kalibergruppe hat ein einheitliches massives Basiswerk mit Federhaus- und Räderwerkbrücke, separaten Minutenkloben sowie Anker- und Unruhkloben, Zentralsekunde im Kraftfluss, Ankerhemmung mit poliertem Stahlanker und Stahlankerrad, 17 Funktions- und Lagersteine bei einer Grundbauhöhe von 4,4 mm.  Das gilt für die Kaliber 69.1, 70.1, und 70.3. Der automatische Aufzug und die Datumanzeige können gemeinsam oder wahlweise auch einzeln auf das Basiswerk aufgesetzt werden. Der Einbau der Datumvorrichtung hat keinen Einfluss auf die Werkhöhe. Die Kaliber mit automatischem Aufzug haben 23 Steine bei einer Bauhöhe von 6,4 mm. Nur das Kaliber 68.4 hat 25 Steine. Das Automatikwerk mit 3 Reduktionsrädern und Wendewippe wird durch die Automatikbrücke abgedeckt. Der Rotor mit Schwermetallring und Trieb besteht aus einem 180° Segment und ist mit 2 Lagersteinen auf dem Rotorlagerbolzen gelagert.

Die Ganggenauigkeit beträgt bei Normalreglage minus30 bis plus 50 s/d

 

Die Güteuhren 70.1 und 70.3 mit einer Ganggenauigkeit von plus 25 bis minus 15 s/d, haben eine vergoldete Unruh mit 16 vergoldeten Messingschrauben und eine Nivarox 1-Spirale. Die Gütewerke, die durch den erhöhten Reglageaufwand mit ihren Gangleistungen innerhalb der internationalen Fehlergrenzen für Chronometer lagen, wurden mit Prüfzertifikat ausgeliefert.

Werkausführungen der Kalibergruppe 70

Die Kalibergruppe umfasst folgende Werkausführungen:

Kaliber 67.1 Basiswerk ergänzt mit einer Datumfunktion und einer Rotorautomatik
Kaliber 68.1 Basiswerk ergänzt mit einer Rotorautomatik
Kaliber 68.4

Basiswerk ergänzt mit zwei zusätzlichen Decksteinen für das Ankerradlager und einer Rotorautomatik

Kaliber 69.1 Basiswerk ergänzt mit einer Datumfunktion
Kaliber 70.1 Basiswerk, Handaufzug, 17 Steine, Ringunruh, GUB Stoßsicherung

Kaliber

70.1

Gütewerk, Basiswerk ergänzt mit einer vergoldeten Schraubenunruh mit 16 Gewichtsschrauben (bis 1964)
Kaliber 70.1 Gütewerk, mit Gangschein, erste zertifizierte Chronometer (nur bis 1964 - ab dann als 70.3 benannt)
Kaliber 70.3

Gütewerk, Basiswerk ergänzt mit einer vergoldeten Schraubenunruh mit 16 Gewichtsschrauben (ab 1964)

Kaliber 70.3

Chronometer, Basiswerk ergänzt mit einer vergoldeten Schraubenunruh mit 16 Gewichtsschrauben, Chronometerzertifikat und einem Gangschein (ab 1964)

Kaliber 78 Herrenkleintaschenuhr, Basiswerk 70.1 mit verlängerter Aufzugswelle
Kaliber 79

Herrenkleintaschenuhr, Basiswerk 70.1 ergänzt mit einer Datumfunktion und mit verlängerter Aufzugswelle

Der Glashütter
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Im Musterbau mit 24 Steinen gefertigt

Keine Serienfertigung, keine Sonderedition und auch kein eigenständiges Kaliber

Musterbau Automat Kal. 67.1 mit 24 Steinen
Musterbau Automat Kal. 67.1 mit 24 Steinen

Die Staatsplanvorgabe des zweiten Fünfjahrplanes der DDR, sah für die Entwicklung der Uhren-industrie die Einführung einer neuen, den Anforderungen der neuen Technik entsprechendes Armbanduhrengeneration vor, die Kaliber beinhaltet, die Ganggenauigkeit eines Chronometers erfüllen konnten. Die Ingeneure der Entwicklungsabteilung des VEB Glashütter Uhren-betriebe erfüllten mit der 1960 abgeschlossenen Entwicklung der Kalibergruppe 70 diese, an sie gestellte Aufgabe. Zur Frühjahrsmesse 1960 in Leipzig konnten erstmals die neuen Armbanduhren mit automatischem Aufzug präsentiert werden.

In den Entwicklungsstudien gab es Überlegungen die Automaten mit 24 statt mit 23 Steinen auszustatten.

Dazu sollte der Minutenkloben mit einem 24. Stein für das Lager des Minutenrades gefertigt werden. Diese Studie wurde in der GUB bis zum Musterbau realisiert und musste dann verworfen werden. Dazu äußert sich der leitenden Entwicklungsingenieur der GUB E. Frankenstein in dem 1960 in Nummer 11 erschienenen Beitrag der Fachzeitschrift Feinmechanik Optik „Der Glashütter Automat“, wie folgt: „Von der Anordnung eines Steins im Minutenkloben wurde abgesehen, weil man beim Aufdrücken der Zeiger das Minutentrieb einer Uhr mit zentraler Sekunde nicht stützen kann und die Bruchgefahr zu groß ist.“

Im Ersatzteile-Verzeichnis der GUB ist unter 2.1 Gestell, der Minutenkloben unter der Bestellnummer -115.1 ebenfalls nur ohne den zusätzilichen Stein ausgewiesen.

 

Damit sind bisherige Veröffentlichungen zu einer Produktion von Glashütter Automaten der Kalibergruppe 70 mit 24 Steinen eindeutig widerlegt. Sollten jetzt, immerhin mehr als 50 Jahre nach Beendigung der Fertigung im Musterbau, plötzlich solche 24-steinige Uhren in Auktionen, auf Märkten oder anderweitig, möglicher weise noch mit restaurieten Zifferblatt auftauchen, muss ihre Herkunft sehr kritisch hinterfragt werden.

 

E. Frankenstein "Der Glashütter Automat"
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Gehäusevarianten der Kalibergruppe 70

Die 20 Micron Plaque vergoldeten Gehäuse für diese neue Kalibergruppe sollten erstmals nicht mehr für Devisen aus der Bundesrepublik Deutschland und aus Frankreich bezogen werden. Dazu wurden Ausgang der 1950er Jahre im Feingrätewerk Weimar die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurde das Feingerätewerk Weimar mit Wirkung vom 1.1.1960 der Uhrenhersteller betreuenden VVB Mechanik zugeordnet. Für die Werke der Kalibergruppe 70  der GUB wurden ausschließlich vergoldete Gehäuse mit gedrücktem Edelstahldeckel in nur fünf verschiedenen Varianten hergestellt.

 

Ausnahmen bildeten lediglich die aus Süddeutschland importierten vergoldeten Gehäuse für die Kleintaschenuhren Kaliber 78 und 79 und Gehäuse für die exportierten Uhren, wo der  Käufer die Wasserdichtheit nach den damals geltenden DIN Normen verlangte. Das trifft für eine Reihe der Uhren zu, die vom Versandhaus Quelle in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben wurden. Für diese Uhren wurden die entsprechenden Gehäuse weiterhin eingeführt. Diese Gehäuse erkennt man daran, dass sie nicht mit 20 Micron Plaque vergoldet sind und auch keine dementsprechende Prägung auf dem Edelstahldeckel haben. In der Regel sind die Gehäuse für die Chronometer verwendet worden und haben auch einen geschraubten Deckel.

Zifferblattsignaturen der Kalibergruppe 70

Bis zum Jahr 1964 wird auf den Zifferblättern der Kalibergruppe 70 neben dem GUB Signet noch die Anzahl der Steine, die Stoßsicherung und bei den Güteuhren auch das Gütezeichen Q aufgedruckt.

Ein Zusammenhang mit der erst 1967 erfolgten Bildung des Uhrenkombinates Ruhla, indem auch die Glashütter Uhrenbetriebe integriert wurden, ist nicht gegeben.

 

Zeitgleich mit der Einführung der neuen im Durchmesser 36 mm großen Plaque Gehäuse wird auch die Zifferblattgestaltung verändert. Bei Uhren die für den inländischen Markt bestimmt sind, wird anstelle von GUB jetzt der Schriftzug Glashütte aufgedruckt.

Da jetzt dank GUB Patent eine eigene Stoßsicherung in alle Uhren eingebaut werden kann, entfällt der entsprechende Vermerk auf den Zifferblättern. Weiterhin wird die Anzahl der eingebauten Steine (Rubis), genauso wie bei den Güteuhren und den Chronometern das Gütezeichen Q, aufgedruckt. Bei den Uhren mit automatischem Aufzug kommt der Schriftzug „Automat“ hinzu. 

 

Beispiele der beschriebenen Zifferblattvarianten

 

Bei Uhren, die für den Export vorgesehen sind, gibt es auch andere Gestaltungsvarianten. So wird z.B. der Schriftzug Glashütte Original schon in den 1960er Jahren für Uhren der Kalibergruppe 70 verwendet. Am Zusatz „Shockproof“ auf dem Zifferblatt erkennt man ebenfalls die Exportvariante.

 

Exportuhren-Garantieschein der Kalibergruppe 70 für das ehemalige Versandhaus Quelle

1967 Einführung eines verbesserten Datumschaltmechanismus

Neue Details in Glashütter Kalibern
Nach sieben Jahren Fertigung wird der Datumschaltmechanismus bei den Kalibern 69.1 und 70.1 der Kalibergruppe 70 zur Erreichung einer besseren Funktionalität überarbeitet und im Fertigungsprozess eingeführt. Ing. E. Kaden von der KdT beschreibt die Veränderungen in der Fachzeitschrift Uhren und Schmuck ausführlich.
Fachzeitschrift Uhren und Schmuck Heft 1
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KdT

Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen, entsprechend ergänzt.

Literatur:

  • Der Glashütter Automat Autor: E. Frankenstein;  Monatsschrift für Feinmechanik und Optik 11/1960 S.326-330
  • Vom Reitstock zur automatischen Straße; Autor: Helmut Klemmer ; Fachzeitschrift: Uhren und Schmuck 11/1970 S. 341-342
  • Mechanische Armbanduhren aus Glashütte 1950 - 1980; Autor: Werner Heinrich; Callwey Verlag; ISBN 3766717197
  • Der Glashütter Automat Autor: E. Frankenstein;  Monatsschrift für Feinmechanik und Optik 11/1960 S.326-330
  • Glashütter Armbanduhren II; Autor: Kurt Herkner; Herkner Verlags GmbH; ISBN 3-924211-06-X
  • Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 - 1980 : Firmenadressen, Fertigungsprogramm, Firmenzeichen, Markennamen, Firmengeschichten; Autor: Hans Heinrich Schmid; Herausgeber: Förderkreis Lebendiges Uhrenindustriemuseum e.V.; ISBN 3927987913
  • 11 Jahre VEB Feingerätewerk Weimar, Autor Ing. G. Rösner KDT, Monatsschrift Feinmeschanik Optik 8/1961
  • Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, Postfach 100444
  • Glashütter Tradition - Fertigung von Präzisionsuhren, Autor: Ing. Schmidtchen, Fachzeitschrift: Uhren und Schmuck 1/1964 S.99-100
  • Material- und Warenprüfung in der DDR - Anspruch und Wirklichkeit; Verl.Beuth Wissen; Autoren: G. Fuhrmann, H. Jablonski, H.- H. Lehndecke, J. Thiele, L.-P. Wagenführ ISBN 978-3-410-17748-7

 

 

Aktualisiert 17.03.2024

Deutsches Uhrenmuseum Glashütte - Das Bild  mit Video hinterlegt
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